Ole Jana

„Manchmal weht mir ein vertrauter Geruch von alten Büchern und kühlem Putz in die Nase – ein Geruch, der mich in meiner Jugendzeit viele Jahre lang begleitet hat: beim Niederschreiben von Ideen in einer der vielen Sofaecken im Dachboden des Ritterguts Limbach, wo wir Schüler*innen der Komponistenklasse die Ferienkurse meist verbrachten. Viele Szenen und Momente gehen mir durch den Kopf: gemeinsames Improvisieren zu Cathy Berberians „Stripsody“, Bilder zeichnen und schnippeln für einen Legetrickfilm, Stücke anhören und dabei mitlesen mit meinem Lehrer, Partitur-Reinschriften anfertigen, die ich immer grafisch ganz schön gestalten wollte (und deshalb nie rechtzeitig fertig geworden bin), Collagen aus weggeworfenen Fundgegenständen kleben, den „Liegewagen“-Kanon singen im Chor, das obligatorische Wandern mit der halben Stunde Stille, die „Maschine“ beim Improtheater mit Jana, Fieldrecording im Grünen, Schlagzeug-Workshop, Tuba-Workshop, Harfen-Workshop etc. etc.
Jedes Jahr gab es zwei Ferienkurse und ich habe keinen davon verpasst

während der sieben Jahre, in denen ich Schüler der Komponistenklasse war. Dort gab es eine sehr angenehme, offene und ungezwungene Atmosphäre mit einer bunten Gruppe Jugendlicher unterschiedlichen Alters. Jede*r hatte seine*ihre eigene Art sich Musik auszudenken, die meisten waren dabei auch mal für ein paar Faxen offen und es gab eher ruhigere Temperamente und auch ein paar „Draufgänger“. Ich fand es spannend mitzuverfolgen, wie sich nach und nach ganz unterschiedliche Stücke entwickelten, die schließlich beim Jahreskonzert von professionellen und engagierten Musiker*innen uraufgeführt wurden. Jeden Herbst stand wieder die erste Probe an, bei der ich unglaublich aufgeregt war – besonders in dem Moment, wenn die erste Note des Stückes zu erklingen begann. Am Dirigierpult (wenn es eins gab) stand meist Milko Kersten, der die Stücke von uns jungen Komponist*innen mit viel Herzblut und Experimentierfreude mit den wechselnden Ensembles einstudiert hat und sehr erfahren ist im Umgang mit Jugendlichen.
Im Kompositionsunterricht habe ich gelernt, meine Ideen zu begutachten, zu hinterfragen und weiterzudenken. Das fand ich richtig toll, da ich immer gerne den Dingen auf den Grund gehen wollte und dabei auch das ein oder andere Rad neu erfunden habe – was ein großer Lerneffekt ist! Ich hatte ein gutes Verhältnis zu meinem Lehrer Johannes Korndörfer. Ich wurde sehr ernst genommen und konnte mir daher immer absolut sicher sein, dass ich ehrliches und konstruktives Feedback für die Ideen bekommen würde, die ich in den Unterricht mitbrachte. Das gab mir das Gefühl respektiert zu werden, wie ein junger Erwachsener, mit dem man auf Augenhöhe spricht. Ich hatte daher im Umkehrschluss auch großen Respekt vor der Meinung meines Lehrers. Als ich schon etwas älter war, habe ich gemerkt, wie toll es ist, dass auch mit den Jüngsten, vielleicht acht Jahre alt, ebenso gleichberechtigt umgegangen wurde. Da war Lob und da war Kritik, genau wie bei den älteren Schüler*innen. Die gemischte Altersstruktur und der individuelle Unterricht sind sehr besonders und können für die Schüler*innen ein willkommener Ausgleich sein zum eher frontalen Alltag in der Schule.
Die Zeit in der Komponistenklasse hat meinen Horizont immens erweitert und mich in meiner Entwicklung geprägt. Ich denke noch heute mit Freude daran zurück. Und ich bewege mich weiterhin auf den Spuren experimenteller Musik. Seit 2015 studiere ich Musik – Tonmeister mit Hauptfach Komposition – zunächst an der HfM Detmold und seit 2018 an der Universität der Künste Berlin.“

(Juli 2018)

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